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25.11.2016

Kino-Review: Doctor Strange



So, Doctor Strange.

Kann man auf alle Fälle gucken. Der Film war so ziemlich punktgenau das, was ich erwartet hatte.

Natürlich hat auch der neuste Eintrag ins Marvel Cinematic Universe die MCU-Krankheit, die ich in jedem MCU-Review pauschal erwähnen muss. Heißt, Doc Strange ist für sich eigentlich kein geschlossener, runder Film im eigentlichen Sinne. So wie man bis in die 90er und vielleicht frühen 2000er noch von einem Film gesprochen hat. Es ist halt eine Episode einer Serie. Aber da man mittlerweile ja weiß, worauf man sich beim MCU einlässt, geht das in Ordnung.

Das größte Opfer, das Strange dieser Serienformel bringen muss, ist der Plot, der – wie aber auch erwartet – sehr, sehr seicht ist.
Man bekommt – wie erwartet – ´ne weitere runter gedampfte, aber dafür auch recht kurzweilige Origin Story, ´nen charismatischen Helden, der flache Gags bringt (genau so wie absolut jeder andere bisherige MCU-Held) viele verheizte Topstars in Nebenrollen, bombastische Actionszenen, viele Easter-Eggs, viele Referenzen auf das größere Ganze, das sich im Hintergrund zusammenbraut.
Leider gehören ja auch superlahme Bösewichte zur MCU-Formel und da könnte Stranges Widersache fast den dicksten Vogel bisher abgeschossen haben. Keine Ahnung, ob die Macher dieser Filme ´nen internen Wettkampf hegen, aber der böse Mads Mikkelsen-Zauberer war schon wieder derbe drunter.
Wobei man als Kenner der Comic-Vorlage selbstverständlich von Anfang an weiß, welcher Bösewicht da eigentlich im Hintergrund aufgebaut wird – und für Neueinsteiger wird die Bombe ja auch noch spätestens in der Post Credit Scene zum Platzen gebracht. War jedenfalls eine nette Neuinterpretation besagter Figur.

Apropos Neuinterpretationen: Es gab ja im Vorfeld die üblichen Whitewashing-Krakeelereien, die nach Rezeption des Films keinen Bestand mehr haben sollten. Generell sollte das ein Film für die Generation Social Justice sein.
Für ´nen amerikanischen Film isses jedenfalls nicht übel, unter den wichtigsten Rollen ´nen Behinderten, ´ne glatzköpfige Frau, ´nen Afroamerikaner, ´nen Chinesen, ´nen Dänen mit Hautproblemen sowie sogar jemand aus der Dark Dimension und ´nen Asgardier am Start zu haben. Also kein Grund zum Rumheulen.

In Sachen Marvel-Kosmos-Erweiterung macht der Film einige echt beträchtliche Fässer auf. Da anscheinend sonst eh kaum jemand wirklich Marvel-Comics liest, lass ich mal das Rumgenerde. Nur so viel: Doctor Strange hat von allen bisherigen MCU-Sachen bisher die größten Schritte gemacht. Nicht durch das Einbinden von Magie, sondern durch Themen wie Zeitmanipulation, das Multiversum und vor allem das Anteasern der Cosmic Beings. Das sind die obersten Götter bei Marvel. Daher ist davon auszugehen, dass der Film die Türen maßgeblich für all das öffnet, was uns nach der ganzen Infinity Stone/Thanos-Nummer erwartet.

Zum Look: Wieder sehr eigen und mühevoll inszeniert. Schön, dass man im MCU immer wieder versucht, neue Wege und Stile einzuschlagen und sich nicht z.B. auf der Iron Man-Formel ausruht. Zu den trippy Realitätsverzerr-Szenen braucht man rein optisch eigentlich nix mehr zu sagen. Die sind cool, aber die kennt man ja eh spätestens aus’m Trailer. Das eigentlich Interessante an dem Zeug ist aber Folgendes:
Wir sitzen grad in ´ner Phase des Mediums Film fest, wo man prinzipiell alles per CGI darstellen kann. Leider missbrauchen einige diese Macht und stellen auch wirklich ALLES dar. Es kommt zu ´nem kognitiven Overload, Reizüberflutung und letztlich spielt nix mehr eine Rolle. Scheiß doch drauf, dass ganze Städte pulverisiert werden, Tanklaster durch die Luft purzeln, und gigantische Aliens am Himmel erscheinen. Hat man alles schon zu Genüge gehabt.
Aber Doctor Strange geht ein paar Schritte weiter und ruht sich nicht auf den reinen Visuals aus, sondern kreiert verdammt smarte Actionsequenzen, die durch einige Details wirklich ernsthaft revolutionär sind. Beispiel: Was passiert, wenn man die übliche Zerstörungsorgie durch den Faktor Zeitmanipulation ergänzt?
Aber allen voran: Die Figuren interagieren mit ihrer Umgebung. Da kann noch so viel Realitäts-Scwimmschwumm-Humbug passieren, Häuser entfalten sich, Fassaden fallen in sich zusammen, Dimensionen all over the place – aber die Figuren stehen nicht nur banal vor ´nem Greenscrene, sondern sie sind betroffen von all dem Shizzle. Und das ist tatsächlich ernsthaftes Oscar-Material.

Final sei noch gesagt, dass ich mich drüber freue, dass Marvel mit seiner cheesy, aber smart-unterhaltsamen Reihe so erfolgreich ist. Vorbei die Tage, wo man noch bei ´nem Iron Man, Hulk oder Captain America mit lausigen drei anderen, versprenkelten Leuten im Kino saß und alle waren irgendwie Nerds. Jetzt ist selbst in Chemnitz so ´n Saal locker voll. Allerdings macht´s mir auch Angst, mittlerweile den üblichen Kinogänger-Durchschnitt um mich rum sitzen zu haben. Das MCU ist allerspätestens jetzt im Mainstream angekommen. Egal wie grotesk die Prämisse des Filme, egal wie nischig die Vorlage – jeder guckt sich das jetzt an. Und das ist verdammt gruselig! Vor allem, wenn dein Average Joe von nebenan versucht, seinem Kollegen zu erklären, wie das alles so funktioniert mit „Ansgard“, „Mordor“, den Infinity Steinen und „dem einen, den man schon mal in ´nem anderen Film gesehn hat, na, du weißt schon, der eine; man kennt den vom Sehn her.“

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